Allerdings muß man darauf
hinweisen, daß das Hetztheater im Lauf seiner Geschichte dreimal sein
Aussehen veränderte, jedoch die Grundkonzeption im wesentlichen beibehalten
wurde. Wie
sah nun dieses von Defraine 1755 errichtete Hetztheater wirklich aus?
Neben Abbildungen helfen hier alte Beschreibungen weiter: Es war ein aus
Holz errichtetes, drei Stockwerke hohes Amphitheater mit einem gemauerten
Haupteingang. Das Theater hatte einen Fassungsraum von etwa 3 000 Zuschauern.
Im Inneren befand sich der runde Hauptplatz, auf dem die Tiere gehetzt
wurden, in dessen Mittelpunkt ein Wasserbassin. In der Mitte des ersten
Stockes waren zwei geräumige Logen, diesen gegenüber der Platz
für die Musiker, meist erklang türkische Musik. Das Amphitheater
enthielt 20 Tierfallen, in denen Löwen, Tiger, Bären, Wölfe
und Wildschweine gehalten wurden. Durch sechs Ausgänge konnte man
die Tiere aus dem Vorführraum entlassen. Dem Theater angebaut war
das Haus des Verwalters, der für die Sauberkeit und die Nahrung der
Tiere zu sorgen hatte.
Der Durchmesser der Arena betrug 42 m, der des Bassins
4,5 m. In der Arena selbst waren einige sogenannte Steigbäume aufgestellt,
etwa 13 m hoch, auf die die Akteure, Hetzknechte genannt, bei Gefahr kletterten.
Leider haben wir keine genauen Angaben über den äußeren
Durchmesser des Hetztheaters sowie über die Gesamthöhe des Gebäudes.
Die bekannten Abbildungen zeigen bloß, daß es sich bei dem
Dach des Rundgebäudes um ein Satteldach handelte, dessen der Arena
zugekehrte Seite sehr schmal war.
Die
Geschichte dieses für das Wiener Vergnügungsleben recht unrühmlichen
Unternehmens begann mit der Erteilung eines Privilegs auf 12 Jahre an
Carl Defraine vom 21. Februar 1755. Dieses Privileg wurde 1766 neuerlich
erteilt. Dem Publikum wurde von März bis November ein grausames und
brutales Spektakel geliefert: Die Vorstellungen begannen schon am frühen
Nachmittag und endeten in der Regel noch vor Einbruch der Dunkelheit.
Jeweils am Vortag wurde durch einen Umzug für die Veranstaltung geworben.
Dabei ritt der Hetzmeister auf einem prächtig geschmückten Schimmel,
ihm voran zwei Stadttrommler. Dahinter folgten meist sechs in gelbes Leder
gekleidete Männer, welche die Ankündigungszettel für die
Tierhetzen austeilten. Fast durch alle belebten Straßen der Stadt
bewegte sich dieser Zug. Am Nachmittag eines Vorstellungstages begaben
sich die Wachen ins Hetzhaus, um über die Ordnung zu wachen, und
Militärtambours mit Pfeifern der Garnison besetzten den Balkon des
Amphitheaters, auf dem dann eine ohrenbetäubende Musik begann, die
bis zum Ende der Vorstellung andauerte. Gewöhnlich fing man die Vorführung
mit Stieren an; zwei in rote Gewänder gehüllte Strohpuppen waren
dazu da, die Aufmerksamkeit des freigelassenen Stieres zu erregen. Daraufhin
wurden wilde Hunde in die Arena gelassen, die den wütenden Stier
attackieren sollten. Diese Tiere - die Hauptrolle spielten oft auch Bären
- wurden nicht nur von Hetzhunden, sondern auch von Menschen gejagt. Sehr
häufig gab dies unter dem Publikum Anlaß zu Wettabschlüssen
auf den mutmaßlichen Sieger.
Der Besitzer des Hetztheaters, Carl Defraine, konnte
sich nicht lange seiner vom Kaiser verlängerten Konzession erfreuen.
Er starb 1768, nur 41 Jahre alt, in seinem Haus im Hetztheater. Seiner
Witwe überließ man das Privileg nicht, nach dem Tode Defrains
übergab man das von ihm erbaute Hetztheater der Theatral-Direktion.
Das bedeutete, daß das Hetztheater als drittes neben dem Hofburgtheater
und dem Theater nächst dem Kärntnertore unter der Verwaltung
der "k. k. Obersten Theatral-Direktion" stand. In den nächsten
Jahren seines Bestandes wurde das Etablissement von einigen Pächtern
geführt, zunächst vom damaligen Pächter der beiden Hoftheater,
Giuseppe d'Affligio. Unter den Hetzpächtern sind die bekanntesten
Namen: Franz Schrey, Martin Augustin Pechtl, Ferdinand Hödl und Mathias
Stadelmann. Hödl und Stadlmann waren lange Zeit selbst Hetzmeister.
Neben
den grausamen Tierhetzen gab es vereinzelt auch Darbietungen von Kunstreitern
und Seiltänzern, unter denen sich namhafte Vertreter der damaligen
Zirkuskunst befanden. So trat 1776 der englische Reiter Simson in Wien
auf. In seinem Programm wurden 22 Nummern ausführlich beschrieben,
die der Reitkünstler vorführte: Simson stand z. B. auf dem galoppierenden
Pferd auf dem Kopf, hob vom Pferd aus 100 Pfund auf, sprang, auf dem Pferd
stehend, über drei Fuß hoch in die Höhe . . . Auch der
berühmte spanische Bereiter Peter Mahyeu trat 1786 im Hetztheater
auf. Das Ende des Hetztheaters kam ganz überraschend am 1. September
1796. Die "Wiener Zeitung" vom 3. September 1796 schrieb darüber:
"Des Abends, nach 8 Uhr, brach in dem Hetz-Amphitheater, unter den
Weißgärbern, im Heustadl, ein heftiges Feuer aus, das in diesem
ganz von Holz erbauten Gebäude schnell um sich griff, und es in Zeit
von wenigen Stunden bis auf den Grund abbrannte. Bey der gänzlichen
Windstille, und den eilig herbeygekommenen, sehr zweckmäßigen
und wirksamen Anstalten, war man so glücklich, alle nebenstehenden
Häuser, Gärten, Magazine und Holzvorräthe vollkommen zu
retten, und ist dabey kein Mensch zu Schaden gekommen. Aber in dem Hetzgebäude
ist alles von der heftigen Flamme verzehrt worden. Bloß einige Hunde
und der Auerstier wurden gerettet und in Sicherheit gebracht! Alle übrigen
zahlreichen und kostbaren Thiere, 2 Löwen, 1 Panther, mehrere Bären,
Wildschweine, Ochsen etc. kamen,.unter entsetzlichem Gebrülle, in
der Flamme um. Nach 12 Uhr war diese gelöscht, und nach und nach
ward auch das Kohlfeuer gedämpft." Der Wert der umgekommenen
Tiere belief sich auf etwa 24 000 Gulden. Kaiser Franz erschien persönlich
auf der Brandstätte und soll gesagt haben: "Neu erbaut soll
die Hetze nicht werden, sie bot für mich immer ein Schauspiel, das
mich anwiderte und von dem ich nie begriff, wie denn meine Wiener es mit
Vergnügen sehen konnten". Der Kaiser blieb bei seinem Wort.
Erst 1828 wurde auf dem Areal ein Haus "Zum schwarzen Rössel"
erbaut, 1853 wurde dort der "k. k. Poststadel" errichtet, der
1900 dem Gebäude der k. k. Post- und Telegraphendirektion Platz machte.
Heute ist das nach schweren Bombenschäden wiederaufgebaute Gebäude
im Besitz der Bundesgebäudedirektion. Fast niemand, der dort vorbeigeht,
weiß heute, was sich dort jahrzehntelang abspielte.

Eine Wiener Redensart ist das einzige, was daran noch
erinnert: "Das war eine Hetz!"
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