Die Landstraße von 1850 bis heuteSelbstverständlich brauchte es seine Zeit, bis die Eingemeindung der Landstraße zu Wien sich konkret auswirkte. In den ersten zwei Jahrzehnten der Zugehörigkeit des Bezirks zu Wien änderte sich relativ wenig. Auch was die Bevölkerungszahlen anbelangt, kann man einen kontinuierlichen Anstieg bemerken, der in den Jahren 1910/1930 seinen Höhepunkt erreichte. Die Zahlen der einzelnen Zeitabschnitte bieten uns folgendes Bild: 1857 ............................................60
497 Eines der neu errichteten Gebäude nach der Bezirkswerdung entstand an der Donaulände. Hier befand sich seit 1858 das Direktionsgebäude der im Jahr 1829 gegründeten Donaudampfschiffahrtsgesellschaft (DDSG). Damit entstand im Weißgerberviertel ein nicht nur für den Bezirk wichtiges Gebäude, vor dessen Fassade auch ein Anlegeplatz für die am Donaukanal verkehrenden Schiffe errichtet worden war. Eine für den heutigen Bezirk Landstraße markante Entwicklung setzte aber schon relativ früh ein, nämlich die Ausbildung des sogenannten "Botschafterviertels", also jenes Areals rund um die heutige Reisnerstraße, wo wir eine beachtliche Anzahl ausländischer Vertretungen finden. Nicht weniger als 19 diplomatische Vertretungen sind heute in dieser Gegend des Bezirks angesiedelt, darunter die Botschaften der Bundesrepublik Deutschland, Italiens, der UdSSR, Großbritanniens, Jugoslawiens, Norwegens und der Volksrepublik China. Nur wenige Jahre nach der Eingemeindung der Vorstädte, im Jahr 1858, wurde auf Anregung des jungen Kaisers Franz Joseph anläßlich der Geburt eines Kronprinzen der Bau des (alten) Rudolfspitales beschlossen, zu dem im Dezember 1864 der Schlußstein gelegt wurde. Die Gesamtkosten dieses Spitalbaues beliefen sich auf 3 Millionen Gulden. Dieses in neugotischem Stil errichtete und ab 1938 im Besitz der Gemeinde Wien befindliche Gebäude mußte nach 100jährigem Bestand einem Neubau weichen, der den Erfordernissen einer modernen Spitalsanlage gerecht werden konnte. Der Grund, auf dem das Spital errichtet worden war, gehörte ursprünglich zu dem von Hildebrandt errichteten Harrachschen Gartenpalast, dem früheren Palais Quarient. Auf das Schlachthaus St. Marx wurde schon im Einleitungskapitel hingewiesen. In den letzten beiden Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts entstand hier der sogenannte Zentralviehmarkt mit seinen ausgedehnten Ställen; daneben kam es zu einem Ausbau des schon bestehenden Schlachthauses. Die Schaffung dieser Riesenanlage trug wesentlich zu den verschiedenen Gesichtern des Bezirks bei. Auf heutigem Gebiet finden wir außer dem Diplomatenund Palaisviertel auch ein reines Arbeiterviertel sowie das pulsierende Leben des Handels, des Gewerbes und der Industrie. Einen Impuls für die Entwicklung unserer Stadt lieferte die Weltausstellung im Jahr 1873. Es war die Zeit, in der man den Bau neuer Strombrücken in Angriff nahm und auch neue Kanalbrücken (etwa die Schlachthausbrücke) eröffnete. Ferner trachtete man, durch Vermehrung der Pferdebahnlinien sowie durch bauliche Umgestaltungen ? Ausbau der Straßenbeleuchtung in den Vororten und ähnliches ? eine Verbesserung der Lebensbedingungen zu erreichen. Es war die Zeit der liberalen Ära in der Kommunalpolitik, die Zeit des Bürgermeisters Cajetan Felder, in der Großprojekte wie die Donauregulierung, die Anlage des Zentralfriedhofs oder der Bau der Ersten Wiener Hochquellenwasserleitung verwirklicht wurden. Zur Erinnerung an dieses Ereignis wurde übrigens
der Hochstrahlbrunnen am Schwarzenbergplatz aufgestellt, den man 1905
in die heutige Form gebracht hat. Schon einige Jahre vorher kam es zum
Bau der Großmarkthalle. Noch bis ins 20. Jh. war die Landstraße vorwiegend ein Bezirk der mittleren Schichten, des Mittelstandes, gewesen. Durch den sukzessiven Aufstieg der Industrie und des Handels ergab sich jedoch bald ein anderes Bild. Die Arbeiterschaft wurde ein entscheidender Faktor innerhalb der Gesamtbevölkerung, eine Tatsache, die sich auch in den ersten Wahlen nach dem Ersten Weltkrieg zeigte, aus der die Sozialdemokratische Partei eindeutig als Sieger über die bürgerlichen Parteien hervorging. Viele Kleingewerbetreibende und Beamte waren nach dem Krieg verarmt. Sie waren ja das Reservoir der Christlichsozialen Partei Dr. Karl Luegers gewesen, und mit dem Schwinden ihres Einflusses verlor die große bürgerliche Partei ihre Vormachtstellung. An dieser Stelle sei einer
politischen Institution gedacht, deren Entstehen mit dem Werden des Bezirks
Landstraße eng zusammenhängt: die Bezirksvertretung. Erst nach
der neoabsolutistischen Phase erfolgte im Jahr 1861 die Aktivierung dieser
Bezirksvertretung. In diesem Jahr fanden Wahlen in die Bezirksausschüsse
statt, die aber erst im Sommer des folgenden Jahres ihre Tätigkeit
aufnahmen, nachdem die Bezirksvorstände im Juni 1862 feierlich installiert
worden waren. Mit einem Bürgermeistererlaß von 1869 erhielten
die Bezirksvorstände die Bezeichnung Bezirksvorsteher und durch ein
Gemeindestatut von 1900 die Mitglieder der Bezirksvertretung den Titel
Bezirksrat. Für die Landstraße beginnt die Reihe seiner Bezirksvorsteher
mit Mathäus Mayer (1862/1876), einem Badhausinhaber und Hausbesitzer,
setzt sich fort mit Karl Weissenberger (1876-1888), Franz Schallaböck
(1888/1891), Johann Schober (1891/1897), Paul Spitaler (1898/1919), Adolf
Lahner (1919/1934), Viktor Kainzmayer (1934/1938). Nach dem Zweiten Weltkrieg
eröffnete Dr. Ludwig Fischer (1945?1946) die Reihe der Bezirksvorsteher;
ihm folgten Josef Pfeiffer (1946/1959) und Franz Seitler (1959/1973).
Von 1973 Mai 1982 war Jakob Berger Bezirksvorsteher des dritten Bezirks,
nun ist es Günther Reviczky. Wahljahr Partei Mandate Als die größten
Schwierigkeiten überwunden waren, setzte jene Phase der Stadtentwicklung
ein, die man mit dem Begriff "Kommunaler Wohnbau der Zwischenkriegszeit"
benennen könnte. Selbstverständlich vollzog sich nun auch, vor
allem rein äußerlich, einwesentlicher Wandel der Landstraße.
Es entstanden nun jene großenstädtischen Wohnhausanlagen, die
richtungweisend werden sollten. einem Großteil der in
den Hof mündenden Wohnungen die Aussicht auf die ausgedehnten Grünflächen
des Praters über den Donaukanal möglich. Die äußere
Erscheinung des Gebäudes wird durch dreieckige Erker und horizontale
Profile bestimmt. An Wohnungen enthält dieses Bauwerk insgesamt 434,
ferner sind Geschäftslokale, über 23 Ateliers mit Nebenräumen
untergebracht. Obere Bahngasse 4 . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 Wohnungen Die traurigen Ereignisse des
Jahres 1934 gingen am dritten Bezirk nicht spurlos vorüber. Im Zuge
des Bürgerkriegs besetzte der Republikanische Schutzbund den Aspangbahnhof,
mußte sich jedoch bald zurückziehen. Stärkere Verbände
des Schutzbundes lagerten auf dem Gelände des Zentralviehmarktes.
Auch von hier mußte sich der Schutzbund zurückziehen, und zwar
in Richtung Erdberger Mais. Wie in anderen Gegenden Wiens kam es auch
auf der Landstraße bei einigen großen Wohnhausanlagen, so
etwa beim Wildganshof, zu heftigen Kämpfen. Bald jedoch hatten die
staatlichen Stellen das Geschehen unter Kontrolle. Dem Schicksal der Zerstörung
zu Ende des Zweiten Weltkriegs entging auch die Landstraße nicht.
Durch die Tatsache, daß der Bezirk zu jener Zeit ja bereits Bahnhöfe,
Bahnanlagen, Großbetriebe, wie den Zentralviehmarkt, die Siemens?Werke
und andere Fabriksgelände auf seinem Gebiet vereinigt hatte, kam
es auch zu wiederholten Bombenangriffen auf derlei Anlagen. Die Zerstörung
war katastrophal. Hunderte Bombentrichter, über 2 500 Wohnungen auf
Bezirksgebiet vernichtet, weitere 5 700 schwer zerstört, von Gas?,
Strom?, Wasserrohrschäden gar nicht zu sprechen ? so sah die Bilanz
des Krieges aus! Die ersten Nachkriegsjahre standen im Zeichen der Beseitigung
der ärgsten Kriegsschäden, des Wiederaufbaues der zerstörten
Bauten, Straßen, Verkehrseinrichtungen etc. Erst später, Ende
der fünfziger Jahre und in den sechziger Jahren, konnte man sich
wiederum größeren Projekten zuwenden. Dabei erst entstand der
moderne Bezirk Landstraße, wie er sich heute präsentiert. Mit
welcher Großzügigkeit man dabei vorging, soll an einigen Beispielen
gezeigt werden. So war etwa die Schaffung "Neu?Erdbergs" eine
Großtat der Stadterneuerung. Mit der Assanierung von Alt?Erdberg
hatte die Gemeinde Wien eine vielbeachtete Pionierleistung der modernen
Stadterneuerung vollbracht. Aus einem Elendsviertel entstand hier ein
freundlicher, großstädtischer Bezirksteil. Ein weiteres Beispiel für den Wiederaufbau im dritten Bezirk ist die Wohnhausanlage Am Modenapark. Hier entstand in den fünfziger Jahren unter der Federführung von Architekt Carl Appel ein Wohnhochhaus inmitten einer Grünfläche. Dieser den modernen Anforderungen entsprechende Bau besitzt 85 Wohnungen, wobei der Dreizimmertyp vorherrschend ist. Die Wohnungsausmaße gehen sogar über den üblichen Durchschnitt hinaus.
Im Zusammenhang mit der Stadtplanung sei noch auf andere Aktivitäten hingewiesen, die auch von seiten der Bevölkerung ein immer größeres Interesse erfahren: Es handelt sich um die Altstadterhaltung bzw. ?revitalisierung, die für einen so traditionsreichen Bezirk wie die Landstraße von großer Bedeutung sind. Ein im Herbst 1981 präsentierter neuer Flächenwidmungs? und Bebauungsplan für einen Teil des dritten Bezirks (das Gebiet zwischen Landstraßer Hauptstraße, Sechskrügelgasse, Ungargasse und Beatrixgasse betreffend) soll mithelfen, den alten vorstädtischen Charakter eines Bürgerviertels mit Gewerbefunktion weitestgehend zu erhalten. In diesem Zusammenhang stehen auch die Revitalisierungspläne bezüglich des "Sünnhofes". Der Sünnhof, eine der letzten in solcher Größe erhaltenen Biedermeier?Passagen Wiens, soll nach den Plänen eines Kärntner Bauunternehmers zu einer Geschäftspassage und Fußgängerzone mit Hotel und Cafes umfunktioniert werden. Bei der Errichtung eines Hotels der Kategorie A soll gleichzeitig der Biedermeiercharakter dieses berühmten Hofes gewahrt bleiben. Die Fassaden des Hofes sollen in ihrer ursprünglichen Form wiederhergestellt werden, die Passage wird mit einem Glasdach versehen. Schon 1983, so der Plan, könnte der Sünnhof wiederum in altem Glanz erstehen.
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