Palais Rasumofsky

Der Bezirk Landstraße verfügt gewiss weit mehr als mancher andere Wiener Bezirk über Barockpaläste und Palais. Eines dieser Gebäude, dessen Herrlichkeit und Pracht zu seiner Blütezeit in ganz Wien sprichwörtlich war, ist die heutige Geologische Bundesanstalt, die ehemalige Residenz des Geheimen Botschafters des Zaren zur Zeit des Wiener Kongresses, Andreas Kyrill Rasumofsky

 

Er wurde am 22. Oktober 1752 in St. Petersburg geboren und starb am 23. September 1836 in Wien. Er, der einer der interessantesten Familien des zaristischen Russland entstammte, wurde in den ersten Jahrzehnten des 19. Jh.s zu einer schillernden Persönlichkeit der Wiener Gesellschaft. Namentlich auf das Musik- und Kulturleben der Stadt nahm er einen entscheidenden Einfluß. Berühmt wurde er durch die Einrichtung eines Quartetts, das sich aus den Musikern Schuppanzigh, Sina, Weiß und Linke zusammensetzte und das unter dem Namen "Rasumofsky-Quartett" in Wiens Musikgeschichte einging. Der Fürst, der selbst Geige spielte, nahm dieses Quartett in seine Dienste. Besondere Bedeutung sollte es durch Ludwig van Beethoven erlangen, der in Rasumofsky einen Freund und Förderer gefunden hatte. Es stand dem Komponisten bald uneingeschränkt zur Verfügung; Beethoven nützte diesen Vorteil: Das Rasumofsky-Quartett wurde so für die Verbreitung und das Verständnis des Beethovenschen Kammermusikwerkes von größter Wichtigkeit.

Palais Rasumofsky, Radierung von Eduard Gurk

 

Im April 1792 kam Rasumofsky als russischer Gesandter nach Wien. Bald schon trug er sich mit dem Gedanken, hier Gründe aufzukaufen, die Platz für ein Palais und einen riesigen Park bieten sollten.
Zu Ende des 17. Jh.s wurde noch jene Gasse, die von der Weißgerberlände bis zur Landstraßer Hauptstraße reicht, Rauchfangkehrergasse genannt. Sie hatte ihren Namen von Anton Mathias Kottel, einem bürgerlichen Rauchfangkehrer, der hier ein Häuschen besaß und von dessen Beruf sich auch die Bezeichnung der Straße ableitete. Nicht weniger als zehn der hier befindlichen Häuser kaufte Rasumofsky an. Insgesamt erwarb der russische Gesandte in den Jahren 1792-1800 die Häuser und Gärten Nr. 72-80, 82, 92 und 94, nach der damaligen Landstraßer Numerierung. Nr. 77 gehörte in jener Zeit dem Hof- und bürgerlichen Rauchfangkehrer Johann Baptist Dezuri und Nr. 78 dem Rauchfangkehrermeister Mathias Kottel. Außerdem befand sich noch auf dem Areal des späteren Palais das Gasthaus "Zum goldenen Rauchfang". Das Haus des Rauchfangkehrers Kottel soll auch der Sitz der Rauchfangkehrerinnung gewesen sein. Einer Anzeige in der "Wiener Zeitung" aus dem Jahr 1805 entnehmen wir, daß das Gasthaus damals noch in Betrieb war, also noch zur Zeit des beginnenden Palaisbaues existierte. Mit der Errichtung des neuen Palais verschwand die alte Rauchfangkehrergasse: Sie wich einer breiten Baumallee mit einem Fahr-, Reit- und Fußweg, die am Zusammenschluß der Marxer- und späteren Rasumofskygasse mit einem breiten steinernen Schwibbogen wie mit einem Triumphbogen abschloß.

Die Herstellung dieses romantischen Schwibbogens, der den Abschluß der Gasse gegen den Prater zu bildete, muß nach 1808 erfolgt sein, da Rasumofsky in diesem Jahr die magistratische Bewilligung dazu erteilt wurde. Die einzige Verbindung der Landstraße mit den jenseits des 'assers gelegenen Donauauen war vor Erbauung des Rasumofskyalais die unter Joseph 11. errichtete "Doppelbrücke", die sich in der (ähe des sogenannten Stadtgutes befand. Sie war aus massivem ichenholz gezimmert und wurde deshalb Doppelbrücke genannt, (eil zwei Reihen von Wagen über sie fahren konnten, gleichzeitig her auch Platz für Fußgeher vorhanden war. Die Erdberger hatten ;eine Möglichkeit, in den Prater zu gelangen, wenn sie nicht den Jmweg über das alte Stadtgut (dem Wurstelprater der damaligen Zeit) nachen wollten. Rasumofsky entschloss sich, diesen Mangel zu geheben, und ließ eine Brücke, den Rasumofsky-Steg, über den Donauarm schlagen. 1811 wurde diese Steinbrücke errichtet, über die der russische Gesandte von seinem Besitztum unmittelbar in den Prater gelangen konnte. Die Brücke war ganz aus Stein, auf einem Mittel- und zwei Seitenpfeilern ruhend. Offenbar wurde gerade an dieser Stelle das Ufer bei Überschwemmungen und Eisstößen besonders in Mitleidenschaft gezogen, was zur Folge hatte, daß die neue Brücke schon nach acht Jahren (1819) so schadhaft war, daß man sie abtragen mußte. Bald darauf bildete sich ein Verein unter dem Vorsitz des Wasserbaudirektors Kudriaffsky - im September 1824 hatte sich dieser Aktivverein konstituiert - mit dem Ziel, die erste Wiener Kettenbrücke zu bauen. Kudriaffsky entwarf selbst die Pläne, und schon 1825 konnte die neue Brücke dem Verkehr übergeben werden. Zunächst nur für Fußgänger und Reiter ausgebaut, wurde die Brücke, der man später zu Ehren der Erzherzogin Sophie den Namen "Sophienbrücke" gegeben hatte, in eine Fahrkettenbrücke umgewandelt. Dieser Umbau erfolgte in den Jahren 1871/72, nach Plänen von Köstlin und Battig. In weiterer Folge wurde diese Kettenbrücke im Jahr 1937 durch eine Bogenbrücke ersetzt; inzwischen führte das Bauwerk den Namen "Rotundenbrücke". Die im Krieg zerstörte Rotundenbrücke wurde in den Jahren 1953/54 wiederaufgebaut.

Wenn auch der Palast Rasumofsky selbst eine der größten Sehenswürdigkeiten der Stadt werden sollte, Sammelplatz der herrlichsten Kunstschätze, so war man allein durch die Anlage des prächtigen Gartens allseits in Verwunderung versetzt worden. Vom Palais bis zur Brücke ließ Rasumofsky durch seinen bewährten Hausgärtner Rosenthal den Garten im englischen Stil anlegen.
In den Jahren 1803 bis 1807 war auf der Landstraße eines der prächtigsten Gebäude der damaligen Zeit entstanden. Nach Plänen des Hofarchitekten Ludwig Montoyer wurde das Palais vom Baumeister Josef Meissl im klassizistischen Palladio-Stil ausgeführt und wirkte durch die reine Linienführung und die einheitliche Gesamtanordnung. Die Fassade gegen die Rasumofskygasse hatte einen vorspringenden Mittelrisalit. Die vertikale Gliederung besorgten am Mittelrisalit ionische Pilaster, deren Kapitelle mit Blattgehängen verziert waren, an den Seitenrisaliten Lisenen. Besonders belebt wurde die Front gegen die Geseugasse durch den von vier Säulen getragenen Giebelvorbau. Auch den Gartentrakt hatte man durch einen Säulenvorbau angereichert, das Dach von einer Baluster-Attika eingefaßt. Mit diesem Bau gelang dem Architekten Montoyer, der auch der Erbauer des Albrechtspalais und des Rittersaales der Wiener Hofburg ist, einer der schönsten Empirebauten des dritten Bezirks und Wiens überhaupt. Vor allem die großartige Wirkung des Gebäudeinneren ist hervorzuheben. An die durch dorische Säulen getragene Vorhalle grenzt der Kuppelsaal mit seinen acht korinthischen Pilastern. Auf reichem, filigran verziertem Gesimse ruht die kassettierte Kuppel, die Pilaster setzen sich in Form von Gurten in die Kuppel hinauf fort. Acht ovale Fenster geben reichlich Licht. Noch imposanter wirkt der angrenzende Raum, der Säulensaal. Man wird bei ihm an eine andere Schöpfung Montoyers erinnert, an den Rittersaal der Hofburg. Der Saal wird vollständig von den gelben korinthischen Säulen beherrscht, die sich knapp an den Wänden hinziehen und einen Raum im Raume bilden. In rechteckigen Wandfeldern sieht man Reliefs mit bacchischen Szenen und Opferszenen. Von diesem Säulen- oder Festsaal führen Spiegeltüren auf die Säulenterrasse in den Garten. Die an den Festsaal anschließenden Gesellschaftsräume sind ebenso in Empirestil gehalten. Die Decken sind mit Grisaillemalerei in den Farben weiß, gelb und Gold verziert. Einer dieser anschließenden Räume, der sogenannte Weiße- oder auch Beethoven-Saal war die Stätte, wo Beethoven der Aufführung seiner Werke beiwohnte.

Der Eindruck, den dieses Gebäude und seine Räume heute machen, entspricht nicht mehr dem Originalzustand, denn in der Silvesternacht 1814, wenige Jahre nach der Vollendung des Bauwerks, fiel es einem verheerenden Brand zum Opfer, wobei eine große Zahl von unschätzbaren Kunstwerken zu Grunde ging. Als man das Feuer endlich unter Kontrolle hatte, war die Gartenseite ganz niedergebrannt. Zar Alexander von Russland bot Fürst Rasumofsky seine Hilfe an, dieser nahm 400 000 Silberrubel als Anleihe in Anspruch, was aber nicht ausreichte, um dem Palast seinen früheren Glanz wiederzugeben. Noch andere Gelder mußte Rasumofsky heranziehen. Der Wiederaufbau, der mehrere Jahre dauerte, brachte dann, besonders in der Innenausstattung, starke Einschränkungen in bezug auf das Material. So wurde z. B. anstelle von Marmor Stucco lustro verwendet. Wohl gelang es Rasumofsky, mit dem Darlehen des Kaisers den Palast wieder vollständig aufzubauen; vieles, vor allem was die Inneneinrichtung betraf, sah jedoch anders aus. Was der unermüdliche Sammler in Jahrzehnten an Kunstschätzen und wissenschaftlichen Kuriositäten zusammengetragen hatte - darunter Bilder von Raffael, Rubens, van Dyck, Correggio und Werke von Canova - war für immer verloren.

Am 23. September 1836 starb Rasumofsky, 88 Jahre alt, infolge von Wassersucht an Lungenlähmung. Seine Schwägerin, Lulu von Thürheim, hatte ihn bis zuletzt gepflegt. Die Witwe Rasumofskys, Fürstin Konstantine, verkaufte nach dem Tod ihres Mannes das Palais am 31. Dezember 1838 an Fürst Alois Josef von Liechtenstein um 190 000 fl. und eine Leibrente von 12 000 fl. Dem Fürsten Liechtenstein diente das Palais eigentlich nur als Interimsaufenthalt, bis sein Palais in der Inneren Stadt adaptiert war. Rund zehn Jahre nachdem er das Rasumofskypalais erworben hatte, überließ er es dem Staat in Miete, der in den Räumen die im Jahr 1849 gegründete k. k. geologische Reichsanstalt, das erste derartige Institut auf dem Kontinent, unterbrachte. Bis 1873 wurde dieser Mietvertrag erneuert; in diesem Jahr kaufte der Staat das Palais um 640 000 fl. an, und damit hat die Geologische Anstalt bis heute eine Unterbringung bekommen. Bei dem Einzug der (wie sie später genannt wurde) Geologischen Bundesanstalt in das Rasumofskypalais wurden jedoch nicht alle Räume dem Institut zur Verfügung gestellt. Eine Zeitlang war auch eine k. k. Oberrealschule hier eingerichtet, bis diese Schule in der aufgelassenen Tabakfabrik unter den Weißgerbern (Radetzkystraße) installiert wurde, wo sie sich heute noch befindet. Aber auch Schüler eines Realgymnasiums waren hier einige Zeit provisorisch untergebracht, bis für sie 1877 ein Neubau des Gymnasiums in der Kundmanngasse errichtet wurde.
Mit der nun schon fast 150 Jahre alten Geologischen Anstalt verknüpfen sich berühmte Namen wie Wilhelm von Haidinger, der 1849-1862 Direktor der Anstalt war, vor allem Eduard Suesz ist zu nennen, der an diesem Institut gewirkt hat. Das dem großen Geologen Suesz gewidmete Denkmal, das sich früher vor dem Hochstrahlbrunnen befand, wurde in die Rasumofskygasse übertragen, wo am 12. Juni 1951 die Denkmalenthüllung stattfand.
Das Palais war in den Kriegstagen des Jahres 1944 schwer beschädigt worden, die Wiederherstellungsarbeiten an dem Gebäude fanden 1951 ihren Abschluss.