Palais Modena

Das ehemalige Palais Modena (heute Beatrixgasse 29) war eines der vielen Gartenpalais, die gerade den Bezirk Landstraße auszeichneten; viele von ihnen sind heute noch erhalten, etliche existieren schon seit langem nicht mehr. Das Palais Modena wurde 1916 samt den angrenzenden Häusern Nr. 25 und 27 der Beatrixgasse abgetragen.

Das Palais wurde seinerzeit auf einer Bodenerhebung erbaut, die zur Salesianergasse und unteren Reisnerstraße hin deutlich abfällt, was wohl mit dem einst näher fließenden Wienfluß zusammenhängt. Der alte Flurname der Gegend lautete "Hirschpeunt vor dem Stubentor". Zu jener Zeit, etwa seit Beginn des 16. Jh.s, aber auch später, befanden sich dort zahlreiche Weinberge. Solche Weinberge auf dem Gebiet des modenesischen Gartens und seiner Nachbargründe wurden im 14. und bis ins 16. Jh. mit dem Namen "Im jeus" angeführt. Von den Rabenschwärmen, die ehemalige Wasenmeisterei anlockte, soll auch der Name "Rabengstätte", später "Rabengasse", stammen. Den Namen Rabengasse führte die spätere Beatrixgasse zwischen der heutigen Salesianergasse und der Reisnerstraße bis 1862.

In den Jahren 1697 und 1700 kaufte ein gewisser Franz von Stockhammer auf dem Grund des späteren Modenabesitzes Weingärten, auf denen er ein Haus mit dazugehörigem Garten errichtete. Dieser erste Stockhammersche Besitz war ein längliches Gebäude, kaum ein eigentliches Wohnhaus, wohl eher ein leichteres Gartengebäude, das wahrscheinlich nur gelegentlich als Unterkunft benutzt wurde. Dahinter erstreckte sich ein langgezogener Garten, dessen nach italienischem Geschmack in geometrischen Mustern angelegte Wiesen von jungen Bäumen umgeben waren. Im Grundbuch ist zum Jahr 1698 als Besitzer dieses Lustgartens Franz Stockhammer, "Dr. phil. et med. und Kaiserl. Leibmedicus", verzeichnet. Der Besitz ist dann längere Zeit in den Händen der Familie Stockhammer geblieben.

In der Zwischenzeit war mit dem Gartengebäude rein äußerlich eine Veränderung vor sich gegangen. Auf einem entsprechenden Plan aus jener Zeit (dem zwischen 1769 und 1774 entstandenen perspektivischen sogenannten Huber-Plan) ist bereits ein stattlicher palaisartiger Bau zu erkennen. Das Gebäude war ein Stockwerk hoch und hatte zwei kurze, gegen den Hof vorspringende Flügel, außen mit fünf, innen mit je zwei Fenstern und hohem Dach. Der Grundriß des Gebäudes stimmt jedenfalls auf einem anderen, etwa zur gleichen Zeit entstandenen Plan (dem Nagel-Plan von 1770) schon im wesentlichen mit jenem Grundriß überein, den das später von der Herzogin von Modena angekaufte Haus aufwies. Es kann nicht genau gesagt werden, wann die baulichen Veränderungen an dem Gebäude vorgenommen worden waren. Wahrscheinlich dürfte dies in der ersten Hälfte des 18. Jh.s geschehen sein. Vor dem Haus erstreckte sich in jener Phase ein weiter Hof, der gegen die Rabengasse und das Nachbarhaus durch niedrige Wirtschaftsgebäude abgeschlossen wurde, hinter dem Haus befand sich ein langer Garten.

Am Ende des Gartens standen zwei aus Holz gefertigte Lusthäuschen. Auch die benachbarten Grundstücke, die später ebenfalls in modenesischen Besitz kamen, wurden in ansehnliche Gärten im italienischen Stil umgewandelt. Es handelte sich damals um den seit 1779 im Eigentum des Grafen Karl von Abensperg und Traun befindliche (heute Beatrixgasse 27) sowie um den anstoßenden Besitz, der seit 1794 durch Kauf an den Grafen Leopold von Kolowrat-Krakowsky gelangt war. Ein Besitzerwechsel trat im Jahr 1790 ein, als die Fürstin Eleonore Liechtenstein, geborene Fürstin von Oettingen-Spielberg, Haus und Garten von den Grafen Franz und Ignaz von Stockhammer, den Vorbesitzern, kaufte. Sie besaß überdies noch ein gemietetes Stadthaus in der Wallnerstraße, wo sie sich vorwiegend im Winter aufhielt. Das Gartenpalais sollte ihr Witwensitz werden. Rein äußerlich änderte sich an dem Gebäude in dieser Zeit wenig, sieht man von einigen Nebengebäuden ab. 1806 verkaufte sie den Besitz. Damals bestand die gesamte Liegenschaft aus dem Haus mit großem Garten in der Rabengasse, zwei kleinen Häuschen, die etwas tiefer gelegen waren, und zwar am Anfang der Waaggasse (später Salesianergasse) gegen den Heumarkt zu, sowie einem Grundstück auf der gegenüberliegenden Seite der Waaggasse, das als sogenannter Reservegarten, für Gärtnereizwecke benützt, noch bis gegen Ende des 19. Jh.s unverbaut blieb.

Als neue Käuferin trat Maria Beatrix Riccarda von Este, Erzherzogin von Österreich, Herzogin von Modena, auf. Sie gab von nun an dem Palais seinen Namen. Die neue Besitzerin war die einzige Tochter des Herzogs Ercole III. von Modena, von der Mutter her Erbin des Herzogtums Massa und Carrara und seit 1771 mit Erzherzog Ferdinand, dem Sohn Kaiserin Maria Theresias, verheiratet. Erzherzog Ferdinand hat Haus und Garten in der Rabengasse nicht mehr kennengelernt, er starb kurze Zeit vor der Übersiedlung hierher, und Erzherzogin Beatrix übernahm den Besitz, ebenso wie ihre Vorgängerin, als Witwe.

Es ist verständlich, daß der Besitz, wie er sich zum Zeitpunkt der Übernahme zeigte, für den Lebensstandard und die Ansprüche einer Bewohnerin, die sich noch immer als regierende Fürstin fühlte, nicht entsprach. Außerdem lebte die neue Hausherrin hier mit ihren Kindern und zahlreichem Gefolge. Deshalb kam es auch sehr bald zu einem Umbau. Dieser Umbau gestaltete sich in zwei Phasen; zunächst auf der rechten Seite gegen die Waaggasse, dann die entsprechende linke Seite. In dem vorhandenen einstöckigen Gartentrakt wurden keine Veränderungen vorgenommen. In den beiden kurzen, gegen den Hof vorspringenden Flügeln nahm man wegen des Neubaues gewisse bauliche Veränderungen vor.

An diese kleinen Flügel wurden im rechten Winkel zwei parallele, senkrecht vom Gartentrakt zur Straße gehende Trakte angebaut, die längs der Rabengasse wieder eine Fortsetzung bis gegen die Mitte der Anlage erhielten, wodurch ein großer quadratischer Hof entstand. Die Mitte der Straßenseite wurde von einer Eingangshalle eingenommen, über der sich kein Stockwerk erhob. Sie war mit einer Terrasse abgeschlossen. Diese neuen Bauten waren gegen den Hof und die Gasse zweistöckig, gegen die Waaggasse aber erhob sich ein einziges Geschoss, das die Höhe der beiden inneren Stockwerke einnahm und in der Hauptachse einen langen Bibliothekssaal enthielt. Die Konstruktion ermöglichte die Bildung einer neun Fenster breiten Fassade (davon sieben mit Rundbogenabschluss) gegen die Waaggasse, und zwar oberhalb einer großen Terrasse, die durch eine starke Gartenstützmauer gesichert war. In dieser Terrassenunterlage befanden sich sogenannte "Kasematten", d. h. Gewölbe, wie sie noch bis in neuere Zeit in der Salesianergasse bestanden und als Verkaufsgewölbe vermietet waren.

Der Gesamteindruck des Gebäudes war eher ein praktischer als ein künstlerischästhetischer. Die Räume der neuen Gebäude waren wohl mit Ausnahme der Bibliothek nur für Wohnungen des Gefolges und der Diener bestimmt. Die Wohnräume der erzherzoglichen Familie befanden sich im Gartentrakt, von wo aus man einen herrlichen Blick in den weiträumigen Garten hatte. In diesen hauptsächlich als Gesellschafts- und Empfangssäle benützten Räumen waren bis zuletzt, trotz vielfacher Veränderungen im Lauf der Zeit, schöne Empiredekorationen an den Decken und vor allem das Deckengemälde im großen Mittelsaal, das die vier Jahreszeiten darstellte, zu bewundern. Ein besonderes Juwel war aber die schon erwähnte Bibliothek. Sie war ein langer, schmaler Saal, der mit seiner gemalten, Stuckornamente nachahmenden Dekoration (längs der vortretenden Pfeiler und der Fensterbogen) sowie mit den Lunetten in Grisaillemalerei (über den von kurzen Säulen flankierten Türen an den Schmalseiten) einen wirkungsvollen Innenraum der Empirezeit darstellte. Auch eine Kapelle ließen die neuen Besitzer errichten. Sie befand sich in einem hinter dem linken Seitentrakt gelegenen Hinterhof. Es war eine einfache Hauskapelle, ein Tonnengewölbe mit ionischen Pilastern und Ornamenten aus Stuck.

Das Altarbild stellte die Szene "Flucht nach Ägypten" dar. An diese Kapelle und die Sakristei schloß sich gegen den Garten zu ein kleiner Gartensaal, dessen Fassade einen Giebel aufwies. Die Wände des Saales waren durch Pfeiler geteilt, geziert von einem klassizistischen Stuckrelief, den Zug des Bacchus darstellend. Ein bedeutsames Ereignis für das Haus Modena war, daß Kaiser Franz, schon zum zweitenmal verwitwet, Maria Ludovica, die jüngste Tochter der Erzherzogin, zur Frau wählte und sich mit ihr am 6. Jänner 1806 vermählte. Ihre Mutter, Maria Beatrix, kam im Sommer wiederholt in ihr Gartenpalais, zumal sie hier auch ihre in Wien verbliebenen Söhne besuchte. Um seiner Mutter näher sein zu können, kaufte Erzherzog Maximilian 1822 die beiden an das Palais der Mutter anstoßenden Häuser mit Gärten, die 1794 noch im Besitz des Grafen Kolowrat gewesen waren. Auf diese beiden Objekte wird noch ausführlicher eingegangen werden. Bald ließ der Erzherzog auf den beiden dem Modenapalais benachbarten Gebäuden als neuer Eigentümer einige bauliche Veränderungen vornehmen.

Erzherzogin Maria Beatrix starb am 4. Oktober 1829 in Wien. Da kein Testament vorhanden war, ging das Palais infolge einer Vereinbarung der hinterbliebenen Kinder auf den zweiten Sohn der Verstorbenen, Erzherzog Ferdinand, über. Er entschloss sich, das zu seinem Hauptwohnsitz gewordene Landstraßer Palais zu vergrößern. Er ließ ein zweites Stockwerk auf den noch einstöckigen Gartentrakt aufsetzen. Eine abermalige Änderung in den Besitzverhältnissen auf der Landstraße trat schließlich 1863 ein, als Erzherzog Maximilian starb und nun auch die benachbarten Gründe (Beatrixgasse 25-27) in der Hand von Franz von Österreich-Este vereinigt wurden.

An dieser Stelle sei kurz auf die Vorgeschichte der dem Palais Modena benachbarten Nebengründe eingegangen. Der Besitz in der heutigen Beatrixgasse 25, in der Vergangenheit auch als "Palais d'Este" bekannt, beherbergte eine Zeit hindurch auch die berühmte Sammlung des Erzherzogs Franz Ferdinand. Diese umfangreiche Sammlung enthielt Gegenstände der griechischen und römischen Antike, Skulpturen, Musikinstrumente, Gemälde, Miniaturhandschriften und ähnliches. Ab dem Jahr 1904 hatte auch das Publikum die Möglichkeit, die Sammlungen zu besichtigen. Nach dem Ende der Monarchie ging dieser wertvolle Besitz in die Sammlungen der staatlichen Museen über.

Auch das Nebengebäude, das Objekt Beatrixgasse 27, führte im Lauf der Geschichte jeweils den Namen des Besitzers; nicht immer handelt es sich dabei um offizielle Bezeichnungen. Überliefert sind z. B.: "Palais Reitter", "Palais Kolowrat", auch "Chorinskysches Haus" und "Palais Este". Als erster Besitzer eines Weingartens, auf dem erst später eine Behausung errichtet wurde, scheint ein gewisser Thomas Thurner auf. Dieser erwarb gemeinsam mit seiner Gattin 1668 den Besitz. 1715 ging der Grund an den Domprobst Josef Heinrich Braittenbucher über, von dem ihn schließlich Carl und Theresia von Reitter (auch Reutter) erwarben. Nach Reitter kam der Besitz an eine Reihe von bürgerlichen Bewohnern; meist waren es Handelsleute. Erst 1791 erwarb Graf Leopold von Kolowrat die Liegenschaft. Nach einer kurzen Unterbrechung ging sie an die Gräfin Chorinsky, geb. Fürstenberg, über. Von der Familie Chorinsky, bis 1822 Inhaber des Hauses mit Garten, gingen Grund und Boden schließlich an Maximilian von Österreich-Este über. Nach dessen Tod kam auch dieser Landstraßer Sommersitz an Franz V. von Modena, womit der estenische Besitz auf die Objekte Beatrixgasse 25-29 angewachsen war.

Was das Haupthaus - das eigentliche Palais Modena - betrifft, schritt man 1863 zur letzten baulichen Veränderung, die dieses Gebäude erfahren sollte. Mit ein Grund für dieses Vorhaben war, daß man dem nun schon in völlig städtischer Umgebung stehenden Gebäude auch ganz den Charakter eines städtischen Palais geben wollte. Die Fassade in der Beatrixgasse (in der Zwischenzeit hatte man die Rabengasse zur Erinnerung an Erzherzogin Maria Beatrix in Beatrixgasse umbenannt) war damals noch nicht geschlossen. Zwischen den beiden Seitenteilen, von denen jeder ein eigenes Dach trug, machte die nur bis in Erdgeschoßhöhe reichende Eingangshalle, über der sich die erwähnte Terrasse befand, einen Einschnitt. An die Stelle der Terrasse wurde nun ein sieben Fenster breiter zweistöckiger Mittelbau aufgesetzt, der die Gassenfassade schloß. In der Höhe des ersten Stockes wurde ein Balkon errichtet, der mit dem Modenesischen Wappen geziert war. 1867 wurde auch die von der Stadt Wien neuerbaute Beatrixstiege, die eine Verbindung von der Beatrixgasse zur Salesianergasse herstellte, eröffnet.

Durch die in der zweiten Hälfte des 19. Jh.s fortschreitende Parzellierung, die Verlängerung der Reisnerstraße vom Heumarkt zum Rennweg und die dadurch entstandenen neuen Seitengassen lag der Garten wie eine Welt für sich abgeschieden inmitten hoher Häuser. 1875 starb der letzte Herrscher von Modena, Herzog Franz V. Ab dem Jahr 1877 war schließlich Erzherzog Franz Ferdinand von Österreich-Este, der Neffe Kaiser Franz Josephs und spätere Thronfolger, neuer Besitzer der Modenagüter auf der Landstraße. Doch der Besitz blieb weiterhin als Witwensitz für Herzogin Adelgunde in Verwendung, die ihren Mann um fast vierzig Jahre überlebte. Mit dem Tod der Herzogin Adelgunde - sie starb 1914 endet eigentlich auch die Geschichte des Modenesischen Besitzes im dritten Bezirk. Nur zwei Jahre später, 1916, begann man mit dem Abbruch des Modenapalais.

Heute steht an der Stelle des ehemaligen Modenesischen Besitzes ein moderner Stahlbeton-Skelettbau, der 1954 errichtet wurde. Der Bauherr des neuen Gebäudes war die Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Wien, leitender Architekt war Dipl.-Arch. Carl Appel. Das neue Gebäude wurde am 23. Juni 1954 eingeweiht. Es ist acht Stockwerke hoch, umfaßt 194 Arbeitszimmer sowie mehrere Säle und wurde nach seiner Eröffnung von 49 Gewerbeinnungen bezogen.