Eingemeindung von 1850

Erst seit dem Jahr 1850 ist es eigentlich legitim, von "Eingemeindung" zu sprechen, meint man damit eine Vergrößerung eines Gemeindegebietes durch Angliederung von Nachbargemeinden bei gleichzeitiger Aufgabe ihrer Selbständigkeit. In der Zeit davor trifft dieser Terminus genaugenommen nicht zu, da Vergrößerungen von Gemeindegebieten nur durch Zukauf fremder Grundherrschaften zustande kamen und die moderne politische Gemeinde mit autonomer Selbstverwaltung erst nach Aufhebung der Grundobrigkeit im Jahr 1848 durch das Provisorische Gemeindegesetz von 1849 geschaffen wurde.

Die meisten der im Mittelalter meist auf grundherrschaftlicher Basis entstandenen Gemeinden hatten ihre Selbstverwaltung in inneren Angelegenheiten, dies betraf auch die Gerichtsbarkeit. Die Gemeindeversammlung, Dorftaiding genannt, war für leichtere Strafsachen zuständig; ein von der Gemeinde gewählter Dorfrichter war der Vorsitzende des Dorfgerichtes. Im späteren Mittelalter wurde als Urteilssprecher ein Gemeindeausschuß von meist vier Geschworenen in den Gemeinden eingesetzt. Dieses Dorfgericht war aber nur ein privates Gericht, dessen Gewalt lediglich die Bedeutung eines schiedsrichterlichen Sühneverfahrens hatte, bei dessen Versagen erst die eigentliche Gerichtsgewalt des Landrichters wirksam wurde. Meist waren die Grundherren bestrebt, die Herren der Gemeinde zu werden. Hatten sie das erreicht, konnten sie den Dorfrichter bestellen, das grundherrliche Gericht und das Dorfgericht zusammenziehen und beide an demselben Ort vom selben Richter abhalten lassen. Dieses vereinigte Gericht wurde als Grundgericht bezeichnet. Erst zur Zeit Maria Theresias wurde mit der Schaffung der sogenannten Kreisämter eine Überwachung der Tätigkeit der Grundherren möglich. Das Revolutionsjahr 1848, das den Beginn des politischen Lebens gebracht hatte, schuf schließlich die Grundlagen zum Aufbau eines neuen Gemeindewesens.

 

Am 17. März 1849 erhielt dann jener Gesetzesentwurf, der die faktisch bestehende Ortsgemeinde als unterste Einheit in der Gliederung der Gemeinden anerkannte, jedoch die Vereinigung mehrerer Gemeinden zu einer einzigen Ortsgemeinde nicht ausschloß, als Provisorisches Gemeindegesetz die kaiserliche Sanktion, dessen Grundsätze noch heute Gültigkeit haben. Mit diesem neuen Gesetz, dessen erster Punkt "Die Grundfeste des freien Staates ist die freie Gemeinde" gleichsam ein Programm darstellte, hatten die Gemeinden weitgehende Selbständigkeit erhalten. Nach dem Jahrzehnt des Neoabsolutismus erlangte das sogenannte Reichsgemeindegesetz im Jahr 1862 seine endgültige Form. So kam es dann zu jenem Gesetz, das die Eingemeindung der Vororte nach Wien betraf.
Mit der neuen Gemeindeordnung wurde Wien ein einheitliches, in acht den Gerichtsbezirken entsprechende Verwaltungsbezirke eingeteiltes Gemeindegebiet mit rund 55,4 km2, 448 688 Einwohnern und einem Umfang von 37,9 km. Dadurch wurden endlich die Stadt und die Vorstädte einschließlich der Brigittenau und Zwischenbrücken zu einer Ortsgemeinde vereinigt. So war auch aus den drei Vorstädten Erdberg, Weißgerber und Landstraße der Bezirk Landstraße geworden. Zum Zeitpunkt der Eingemeindung (1850) sah der Stand an Einwohnern und Häusern folgendermaßen aus:

Erdberg: 416 Häuser, 6 574 Einwohner
Weißgerber: 125 Häuser, 1 963 Einwohner
Landstraße: 730 Häuser, 20 951 Einwohner

In einer Kundmachung der Statthalterei vom 20. März 1850 werden die neuen Grenzen der neuzubildenden acht Bezirke Wiens umschrieben. Beim dritten Bezirk heißt es: "Der Bezirk Landstraße erstreckt sich vom Mondscheinstege über die Wien längs der Mitte der projektierten Straße durch die Heugasse und Belvedere?Linie zu den Eisenbahnhöfen, derzeit aber, bis diese Straße hergestellt sein wird, vom Mondscheinstege auf die Esplanade?Hauptstraße, von hier längs der Heugasse zum Wien?Brucker Eisenbahnhofe, sohin aber längs der Basis des Dammes der Wien?Brucker Eisenbahn bis an die Katastralgrenze der Gemeinde Wien, von da längs dieser Grenze bis an den Donaukanal, dann den unteren Rand des rechten Donaukanalufers aufwärts bis an die Mündung der Wien und von hier den unteren Rand des linken Wienufers aufwärts bis wieder zum Mondscheinstege.

Es gehören sonach in das Gebiet dieses Bezirkes:

  • die Vorstadt Landstraße
  • die Vorstadt Weißgerber
  • die Vorstadt Erdberg
  • alle außerhalb der Linie zwischen dem Liniengraben und der Wien/Brucker/Eisenbahn liegenden, teils zur Landstraße, teils nach Erdberg numerierten Häuser und Grundstücke, mit Einschluß des Friedhofs von St. Marx.
  • das Flußbett der Wien vom Mondscheinstege bis zu ihrer Mündung in den Donaukanal.

Damit hatte die Landstraße, was die Ausdehnung anbelangt, im wesentlichen jene Grenzen erhalten, die für den Bezirk auch heute noch gelten. Eine geringfügige Änderung brachte die Zeit "GroßWiens" (ab 1938), als das bisherige Bezirksgebiet um das Terrain des Arsenals um den südöstlich von diesem gelegenen Teil des zehnten Bezirks vergrößert wurde.